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Wenn Alkohol und Co das Leben bestimmen
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Wenn Alkohol und Co das Leben bestimmen

20 Jahre Suchthilfe Rosenheim – Kein Patentrezept aber Helfergemeinschaft

Erst wenn man ganz unten ist, kann der Weg zurück ins Leben angepackt werden – dies kennt Horst Krumpschmied aus leidvoller Erfahrung. Er hat es geschafft, seine Alkoholabhängigkeit hinter sich zu lassen. Dies gelang ihm aber nicht alleine. Ihm zur Seite standen Schicksalsgefährten. Heute leistet er selbst wertvollen Beistand im Rahmen der Rosenheimer Suchthilfe. Denn: Der Weg aus der Abhängigkeit verspricht vor allem im Rahmen einer Selbsthilfegruppe dauerhaften Erfolg.

Selbstkontrolle, das gute Gefühl, ein Vorbild zu sein sowie die erschreckende Konfrontation mit „abgestürzten“ aktuellen Fällen sind Säulen von Selbst-hilfegruppen. „Das Prinzip funktioniert. Aber egal welche Sucht, dieser Teufel in einem muss immer in Schach gehalten werden“, so Krumpschmied gegenüber unserer Zeitung.
Er ist eines der Gründungsmitglieder der Rosenheimer Suchthilfe. Diese verselbstständigte sich vor 20 Jahren unter der Leitung von Karin Ehrenleitner und Dr. Irmgard Berchtenbreiter.

Denn bis dahin wurde die Suchthilfe unter dem Dach des Rosenheimer Kreuzbunds geleistet. Für diesen hatte Hildegard Hildner die erste Selbsthilfegruppe für Suchtkranke in Stadt und Landkreis ins Leben gerufen. Sie war auch schließlich treibende Kraft bei der Gründung der Rosenheimer Suchthilfe. Diese trennte sich vom Kreuzbund, um eigene Vorstellungen zu verwirklichen.

Dass dies der richtige Schritt war, bestätigen die Zahlen der vergangenen 20 Jahre. In drei Gruppen treffen sich wöchentlich zwischen zehn und mehr Betroffene. „Jeder kann, muss aber nicht regelmäßig teilneh-men“, betonte Krumpschmied. Doch die Erfahrung habe gezeigt, dass sich rasch eine „eingeschworene Gemeinschaft“ bildet. „Es ist wie ein regelmäßiges Treffen mit Freunden, bei dem man alles loswerden kann, was einen beschäftigt.“ Das müssen nicht immer nur Themen rund um den Alkohol sein.

Auch wenn dieser die Betroffenen zusammengeführt hat. Denn: „Man muss schon was tun, um Alkoholiker zu werden; und umgekehrt, um auch wieder aufhören zu können“, so Krumpschmied. Er hat eigenen Angaben zufolge bereits um 6.30 Uhr zur ersten Bierflasche greifen müssen. Das Schlimmste im Nachhinein für ihn dabei: die so genannte Co-Abhängigkeit seiner Frau. Den Kummer, den er ihr durch seine Sucht bereitet hat, konnte er erst in seinem ganzen Ausmaß erfassen, als er „selber seinen Kopf wieder klar hatte“. – „Und selbst dann bekam sie noch Schweißausbrüche, wenn ich für längere Zeit in der Garage verschwand, wo früher mein Depot war“, bekennt Krumpschmied freimütig. „Der Suchtdruck zwingt einen zum Trinken.“ Die Motivation, zur Flasche oder Dose oder zum Glas zu greifen, ist dabei ganz unterschiedlich. Es gibt nach Angaben von Dr. Irmgard Berchtenbreiter sogenannte Problem- und Pegeltrinker. Während Erstere bei Schwierigkeiten im Alltag auffallen, gelinge es den Pegeltrinkern, lange unter dem Deckmantel der scheinbar geringen Dosis das Gesicht zu wahren. Doch auch hier komme es irgendwann zum Eklat. „Häufig versucht ein Angehöriger Kontakt zur Rosenheimer Suchthilfe aufzunehmen, um Rat zu bekommen.“ Gemeinsam werden dann zunächst das Abhängigkeits-Ausmaß erörtert und Kontakte zu Therapieeinrichtungen hergestellt.

„Ohne die Bereitschaft des Abhängigen, selbst etwas an seinem Verhalten zu ändern, ist kein Ausweg möglich und das Scheitern vorprogrammiert“, so Dr. Berchtenbreiter. Gerade die Betreuung der Angehörigen ist ein wichtiger Eckpfeiler der Rosenheimer Suchthilfe. So wird diesen ermöglicht, an den Gruppenabenden ebenfalls teilzunehmen, sofern der verwandte Suchtkranke dies zulässt. In den Räumen der Rosenheimer Caritas (Reichenbachstraße 5) finden die Treffen der Rosenheimer Suchthilfe jeweils mittwochs und donnerstags ab 19.30 Uhr statt. „In den Gesprächen mit anderen Gruppenteilneh-mern kann es zu Aussprachen ohne gegenseitige Vorwürfe kommen“, so Berchtenbreiter. Gleichzeitig wachse durch die Parallelen zu den anderen Teilnehmern das Verständnis für Suchtdruck und die angemessene Reaktion darauf.

,,Es gibt kein Patentrezept“

Ein Patentrezept gebe es dazu nicht, aber einen „Schutzmechanismus“ (Konsequenz, Loslassen, aktiv sein und miteinander reden) für Angehörige vor der Co-Abhängigkeit. Diesem Thema widmete sich die Rosenheimer Suchthilfe jüngst eingehend. Denn zum Jubiläum schenkte man sich statt einer Feier eine Fortbildung mit Caritas-Kreisgeschäftsführer Erwin Lehmann.

Doch nicht nur Alkoholkranke, sondern auch Medikamenten-Abhängige werden betreut. Die Erfolgsquoten sind dabei von Fall zu Fall unterschiedlich. „Ein Rückfall ist keine Schande, sondern Anlass zu neuem Kampf gegen die Sucht“, so Krumpschmied. Die Betroffenen profitieren dabei von der Helfergemeinschaft der Rosenheimer Suchthilfe. Dahinter verbirgt sich folgendes Credo: Ehemals Betroffene stehen in der Gruppe mit Rat und Tat gegen den Suchtdruck zur Seite. „Neulinge fühlen sich einerseits verstanden und sehen andererseits, dass Sucht besiegt werden kann“, so Berchtenbreiter.  Silvia Mischi

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