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„Leider nicht lieferbar!“
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„Leider nicht lieferbar!“

Unsere Gesundheitsversorgung gilt nach wie als eine der besten weltweit. Dennoch passiert es immer häufiger, dass der Patient beim Arzt oder in der Apotheke die Auskunft bekommt: „Das Medikament der Wahl ist leider nicht lieferbar.“ Immer wieder kommt es zu Lieferengpässen bei Antibiotika, Impfstoffen, aber auch Medikamenten zur Behandlung von Krebs.

Über 280 Wirkstoffe sind in Deutschland momentan nicht verfügbar, darunter 30 lebenswichtige Medikamente wie Antibiotika, Krebs- und Narkosemittel. Die Folgen können dramatisch sein: Menschen können nicht oder nur schlecht behandelt werden. Im Jahr 2015 mussten beispielsweise geplante Blutstammzellentransplantationen verschoben werden. Doch auch weltweit seien die Auswirkungen von Lieferengpässen gravierend, wie das Beispiel des seit Monaten nicht lieferbaren Polio-Impfstoffs zeigt. Das Ziel der Weltgesundheitsorganisation, die Kinderlähmung weltweit auszurotten, sei damit in weite Ferne gerückt, so die Ärzteinitiative „MEZIS“ in einer Pressemitteilung anlässlich des Weltgesundheitstages.
Die Sprecherin des Apothekenverbandes für den Bezirk Rosenheim, Elke Wanie, sieht die Lage allerdings als wesentlich weniger dramatisch und von den Medien etwas aufgebauscht. In den meisten Fällen sei es unproblematisch, lieferbare Medikamente mit gleichem Wirkstoff wie das ursprünglich vorgesehene zu verwenden, sodass man von wirklichen Engpässen nicht sprechen könne. Allerdings gebe es Ausnahmen. So fehlten bestimmte Impfstoffe, zum Beispiel gegen Tollwut, die aber in kleinen Depots in den Kliniken auf Lager gehalten würden.
In jedem Fall sei eine Einzelentscheidung nötig, so Wanie.

Hier müsse auch der Patient mithelfen und sich sofort beim Arzt melden, wenn das Austauschpräparat nicht wirkt oder Nebenwirkungen auftauchen. Der behandelnde Arzt habe dann die Möglichkeit, auf dem Rezept den Vermerk „aut idem“ (zu deutsch: „oder das gleiche“) nicht anzukreuzen. Dieser Vermerk ermöglicht den Apotheken, wirkstoffgleiche Medikamente auszugeben, wenn das ursprünglich verschriebene nicht erhältlich ist. In der Regel ist das Original-Medikament ohne diesen Zusatz verfügbar.
Bei Impfstoffen kann es laut Wanie zu Engpässen aufgrund der komplizierten Herstellungsweise kommen. So können Mehrfach-Impfstoffe nur in relativ kleinen Mengen hergestellt werden und die Nachlieferung dauert wegen des Herstellungsprozesses. Hier könne aber die Impfung meist problemlos etwas aufgeschoben werden, bis die Impfstoffe wieder zur Verfügung stünden.
Wichtig sei es für die Apotheken, ein gutes Lieferantennetz aufzubauen, um bestmöglichen Zugriff auf die Arzneimittel zu haben. Auch die Vernetzung der Berufsgruppen untereinander sei wichtig.
RoMed:
Vier Schritte
Die RoMed-Kliniken als größter Klinikverbund der Region mit Krankenhäusern in Rosenheim, Bad Aibling und Prien am Chiemsee gab auf Anfrage an, dass leider auch hier seit etwa Mitte letzten Jahres immer wieder Lieferengpässe auftreten, unabhängig vom Produkt oder Hersteller. Um Auswirkungen auf die Patienten zu vermeiden, wird in einem vierschrittigen Schema verfahren:
1. Gleiches Präparat, jedoch Wahl einer anderen Packungsgröße
2. Ein wirkstoffgleiches Präparat von einem anderen Hersteller
3. Rückgriff auf einen anderen Wirkstoff aus der gleichen Wirkstoffgruppe, nach Rücksprache mit den Ärzten
4. Einzelimport aus dem Ausland
Anzumerken sei, dass der Import eines Arzneimittels grundsätzlich nur auf die schriftliche Anordnung eines Arztes und für einen einzelnen Patienten möglich ist. Wenn jedoch die Gesundheit der Bevölkerung in Gefahr ist, hat das Bundesgesundheitsministerium die Möglichkeit, zeitlich befristet den Import eines Ersatzpräparates aus dem Ausland zu genehmigen, zum Beispiel bei Antibiotika oder Impfstoffen, so dass Statement der RoMed-Kliniken.
Geeignete Initiativen
„Unsere Ärzte und Apotheker setzen alles daran, unsere Patienten bestmöglich zu versorgen. Wenn immer es nötig ist, suchen sie nach den geeigneten Alternativen“, ist Priv.-Doz. Dr. Christoph Knothe, Medizinischer Direktor der RoMed-Kliniken, überzeugt.
Spezielle Einkaufspreise für Kliniken hängen mit der Mitgliedschaft in einem Einkaufsverbund zusammen, der die Preise jährlich mit den LIeferanten aushandelt. Alternativlösungen bei einem Lieferausfall sind meist kostspieliger, was in diesem Fall in Kauf genommen wird. In bestimmten Fällen gibt der Einkaufsverbund auch Empfehlungen, wenn es darum geht, Alternativpräparate zu finden.
Sonderregelungen für Krankenhäuser schreibt die Apothekenbetriebsordnung vor. In ihr sind die genauen Voraussetzungen für den Betrieb einer Krankenhausapotheke geregelt. Darin heißt es, dass zur Sicherstellung der Versorgung die nötigen Arzneimittel in ausreichender Menge, die mindestens dem durchschnittlichen Bedarf von zwei Wochen entspricht, vorrätig gehalten werden müssen. Bei vielen Arzneimitteln ist die Menge der gelagerten Arzneimittel deutlich höher. Dies trifft besonders dann zu, wenn sich bei einem Präparat ein Lieferengpass abzeichnet.
Ursachen
Zu den Ursachen der Knappheit meint MEZIS Vorstandsmitglied Dr. med. Thomas Mayer: „Die Ursache für die immer häufiger auftretenden Engpässe gerade alternativloser Präparate ist schlichtweg, dass nicht genügend Medikamente produziert werden. Sie versprechen entweder zu wenig Profit und/oder werden nur noch von einer einzigen Firma produziert oder vertrieben, wie beispielsweise Melphalan. Das Chemotherapie-Mittel wird unter anderem verwendet, Krebszellen vor einer Transplantation zu vernichten.“ Die Hersteller behaupten, die Produktion des Wirkstoffs sei zu kompliziert, weshalb es leicht zu Lieferengpässen käme. Doch das Argument scheint vorgeschoben. „Engpässe könnten leicht vermieden werden, wenn es für alle wichtigen Wirkstoffe mindestens zwei – besser mehr – qualifizierte Lieferquellen aus unterschiedlichen Ländern gäbe und das Medikament zu einem bezahlbaren Preis importiert werden müsste, wenn es irgendwo auf der Welt existiert“, betont Dr. med. Christiane Fischer, die Ärztliche Geschäftsführerin von MEZIS.
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