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Jeden Tag ein Lächeln
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Jeden Tag ein Lächeln

„Weg ins Glück“: Amanda Venerandum dichtet für ihre Seele

 

Eine alte Schreibmaschine ist die neueste Errungenschaft von Amanda Venerandum. Auf ihr schreibt die 23-Jährige Gedichte. Natürlich könnte sie das wie bisher auch auf dem Computer tun. Doch sie genießt den Akt des Schreibens auf dem mechanischen Gerät, das spezielle, einmalige Schriftbild der Maschine.

„Blöd ist es nur, dass man sich nicht vertippen darf, wenn ein Gedicht veröffentlicht werden soll. Das sieht natürlich sonst nicht gut aus“, lächelt die sympathische junge Frau hinter der Corona-Maske.
Die Poesie ist nicht für viele junge Leute ein Steckenpferd. Zu groß ist die Vielfalt an Freizeitmöglichkeiten, als dass ausgerechnet das Feilen an Ausdrücken, das Gießen der Gedanken in Verse und Reime sich heute großer Beliebtheit erfreuen würde. Doch für Amanda Venerandum ist es viel mehr als nur ein Zeitvertreib. Denn sie hat die Poesie als Rettungsanker für sich entdeckt: „Es ist die Freude daran, dass ich etwas gut kann. Ich kann in meinen Gedichten meine Probleme zum Ausdruck bringen, sie mir von der Seele schreiben. Und ich kann vielleicht auch andere Menschen positiv beeinflussen“.
Auch für Amanda Venerandum war die Lyrik etwas, das sie neu für sich entdeckte, auch wenn sie als Kind schon dichterische Anfänge unternahm: „In der dritten, vierten Klasse hat es mir auch Spaß gemacht, aus einem Satz ein Gedicht zu machen“. Das das blieb lange vergessen. „Der Weg ins Glück“ hieß das Buch, dass sie im Rahmen einer Therapie in der Schön Klinik Roseneck von ihrer Therapeutin bekam. Ein Lebenslauf, der einen erschauern lässt, führte die Prienerin in die Behandlung. Schon als Heranwachsende hatte sie mit großen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, Depressionen kamen hinzu, ausgelöst auch durch den frühen Tod des Vaters. Voller Ehrgeiz wandte sie sich nach der Schule ihrer Ausbildung als Fachkraft für Lebensmitteltechnik zu, die sie mit Note 2 abschloss und gleich eine Weiterbildung begann. Nach der Ausbildung wechselte sie den Betrieb; und dort lief es gar nicht gut: Mobbing durch die Kolleginnen und Kollegen vom ersten Tag an machten ihr das Leben schwer. Dennoch wollte sie sich durchbeißen, auch wenn die Bedingungen immer unerträglicher wurden. „Gekündigt hat dann schließlich meine Mutter telefonisch nach einem neuerlichen Vorfall. Ein neuer Arbeitgeber war bald gefunden, mit 50 bis 60 Stunden Arbeit in der Woche und dem Lernen für die Weiterbildung am Wochenende mutete sie sich sehr viel zu – zu viel. Die wenige Freizeit war geprägt von Migräneattacken. Warnungen aus dem besorgten Freundes- und Familienkreis wollte oder konnte sie nicht wahrnehmen. Ein Burnout, begleitet von schweren Essstörungen, mit nur 19 Jahren war die Folge, Krankenhausaufenthalt inklusive. Zu allem Überfluss kam dazu noch eine Beziehung, die der jungen Frau viel Schaden zufügte.
All dies mündete kurz vor der Katastrophe in die Therapie in der Schön Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee, die die Berührung mit der Lyrik brachte.

„Zuerst nahm ich mir einen Satz mit dem Ziel, neue Glaubenssätze für mich zu entwickeln. Daraus entstanden der Gedanke und die ersten Versuche, diese in Gedichtform zu bringen. Das hat mir so viel Freude gemacht, dass ich weiter machte“, erinnert sich Amanda Venerandum.

Und so entstanden mit der Zeit in ihrem Büchlein mit dem rosaroten Einband immer mehr Gedichte. Veröffentlicht hat sie bisher auf ihrem Instagram-Account, und auch an Poetry Slams nahm sie schon teil. Eine andere Möglichkeit der Veröffentlichung hat sie mit dem Verteilen von Flyern gefunden, wenn auch gebremst durch die Corona-Pandemie. Dennoch gelangten sie über Freunde bis nach Leipzig. Allerdings nicht unter ihrem eigentlichen Namen, sondern unter ihrem Pseudonym. „Vielleicht gehe ich demnächst mit meinem Namen an die Öffentlichkeit, aber diesen Schritt will ich mir gut überlegen.“ Mit dem Angebot, auf dem „Young Arts“-Festival zu lesen, war es fast soweit. Dafür hätte sie ihre Identität preisgeben müssen. Doch das Festival musste coronabedingt abgesagt werden.

Mittlerweile haben sich so viele Gedichte angesammelt, dass daraus ein Band entstehen könnte: „Ich würde gerne ein Buch mit einem Teil mit meiner Biografie und dem Hauptaugenmerk auf der Lyrik veröffentlichen. Mit Verlagen war ich auch schon im Gespräch, momentan käme wohl am ehesten die Veröffentlichung im Eigenverlag oder als E-Book in Betracht.“
Bis es soweit ist, geht Amanda Venerandum mindestens zweimal in der Woche an den Chiemsee oder in die Berge. „Hier finde ich die Inspiration und die Ruhe. Ich weiß, dass meine Krankheitsgeschichte nicht endgültig abgeschlossen ist. Aber diese Orte und auch meine Gedichte tragen für mich dazu bei, dass jeder Tag lebenswert ist. Und wenn ich jeden Tag ein Lächeln im Gesicht habe, dann weiß ich: Er war lebenswert.“  nu

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