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Mit den Adlern fliegen
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Mit den Adlern fliegen

Gleitschirmvereine suchen Beobachter um Adlerbrut im Chiemgau zu schützen

Die Mitglieder der Gleitschirmvereine an der Kampenwand und der Hochries engagieren sich gemeinschaftlich bei der Beobachtung eines Steinadler-Paares in den Bergen rund um den Geigelstein. Sie geben so ein gutes Beispiel, wie sich Naturschutz und Naturerlebnis sinnvoll ergänzen können. Aktuell sucht das Team Unterstützung beim Beobachten – dem Monitoring – der majestätischen Greifvögel in der wichtigen Balz- und Brutzeit.

Nora Kühnhausen, Gleitschirmfliegerin beim Gleitschirm-Club Hochries und seit zwei Jahren im Steinadler-Projekt Geigelstein in der Öffentlichkeitsarbeit und beim Monitoring engagiert, schildert, warum die Rücksichtnahme auf das Greifvogelpaar so wichtig ist: „Die Adler entscheiden sich jetzt im März, ob und wo sie brüten werden und man kann sie aktuell bei ihren beeindruckenden Balzflügen beobachten. Bereits seit mehreren Generationen haben sie ihr Revier rund um das Priental mit den Eckpunkten Geigelstein, Spitzstein, Klausen sowie Kampenwand und Hochplatte. Hauptsächlich sind sie im Bereich des Naturschutzgebietes Geigelstein unterwegs. In diesem Revier gibt es mehrere mögliche Horste, aus denen sie jedes Jahr einen auswählen.“

Wo genau die Standorte der Horste genau sind, möchten die Adlerfreunde nicht direkt in der Zeitung stehen sehen. Denn genau hier ist die empfindliche Stelle der Steinadler. Werden sie gestört, wenn sie den erwählten Horst gründlich „renovieren“ und schmücken, beginnen sie gar nicht erst zu brüten. Bei Störungen während der Brut oder der Aufzucht der Jungvögel kann es vorkommen, dass sie aufhören zu brüten oder sich nicht mehr um die Jungtiere kümmern. Das passiert unter anderem, wenn sie ihren Horst und die Brut schützen wollen und Eindringlinge vertreiben.

„Es kann viele Gründe geben, warum ein Adlerpaar in einem Jahr es nicht schafft, Jungtiere großzuziehen. Lang anhaltende kalte und nasse Wetterperioden zum Beispiel. Wir Gleitschirmflieger wollen auf keinen Fall einer dieser Gründe sein. Deshalb ist die Beobachtung jetzt so wichtig. Sobald wir wissen, ob überhaupt und wo sie brüten, wird für dieses Gebiet von Ende März bis Juli ein strenges Flugverbot ausgesprochen, um die Tiere nicht zu stören,“ so Kühnhausen. „Das ist gar kein großes Gebiet. Man kann sich eine Halbkugel mit einem Radius von 500 Metern in alle Richtungen – auch nach oben hin vorstellen. Das genügt, um ihnen ein ungestörtes Brüten zu ermöglichen. Auch die Forstbetriebe verschieben Arbeiten in diesem Gebiet und selbst die Rettungsflieger umfliegen diesen Bereich mit ihren Hubschraubern sogar mit einem Abstand von 1000 Metern, wenn es nicht gerade um Leben und Tod geht.“

Zu sehen sind die majestätischen Greife hauptsächlich tagsüber. Till Gottbrath, selbst begeisterter Gleitschirmflieger und für die Öffentlichkeitsarbeit des Drachen- und Gleitschirmfliegerclub Aschau Kampenwand (DGFCAK) zuständig, erzählt: „Die Adler nutzen die Thermik, um ohne Energieverbrauch zu fliegen – genau wie wir Gleitschirmflieger. Im Gegensatz zu uns haben sie aber auch noch die Möglichkeit, ihre Flügel einzusetzen. Morgens und gegen abends, wenn es keine Thermik gibt, fliegen sie nur, wenn sie müssen.“

Dieses Wissen ist natürlich auch für das Monitoring wichtig. „Wer sich meldet, um uns zu unterstützen, bekommt eine Einweisung und viele Informationen zu den faszinierenden Tieren von Erfahrenen aus dem Adlerteam.“

Während des restlichen Jahres fühlt sich das Adlerpaar von den Gleitschirmfliegern oder Wanderern nicht gestört. Till Gottbrath: „Ich bin selbst schon häufig mit Adlern geflogen, einmal am Wilden Kaiser fast 15 Minuten lang. Er hat mich beim gemeinsamen Thermikkreisen beobachtet, ohne Aggression, eher mit Neugier. Das sind einmalige Erlebnisse, ein Privileg. Alleine dafür lohnt es sich, alles zu tun, um unsere Adler zu schützen.“ Ähnlich wie die Jungrinder, die zum ersten Mal auf die Alm getrieben werden, gewöhnen sich auch Adler an die Gleitschirmflieger. „Man kann das gut beobachten, dass die Rinder erst mal sehr schreckhaft auf die ihnen unbekannten Gebilde reagieren, wenn wir über sie hinwegfliegen. Am Ende des Sommers ist es nichts Besonderes mehr, da bleiben sie sehr gelassen. Ähnliches gilt auch für die Steinadler: Sie brüten seit bereits vielen Jahren im Priental, Gleitschirm- und Drachenflieger sind hier seit den achtziger Jahren in der Luft. Man kennt sich.“

Wo das Flugverbotsgebiet liegt, wird über soziale Netzwerke sowie die Webseiten und Newsletter der Vereine und des DHV (Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband) bekanntgegeben. Aber was passiert, wenn ein Pilot das Verbot missachtet? Gottbrath: „Nicht immer können wir nachvollziehen, wer der Ruhestörer ist, aber oft kann man es doch herausfinden. In so einem Fall benachrichtigen wir die entsprechenden Pilotinnen und Piloten. Bisher bekamen wir darauf immer eine verständnisvolle Antwort und die Zusage, künftig die Sperrzone einzuhalten. Im Falle einer vorsätzlichen Nichtbeachtung könnten die Vereine dem Piloten ein Startverbot in unserem Fluggebiet erteilen. Schlimmstenfalls wird das Gebiet zum Befliegen komplett als Naturschutzzone gesperrt. Bisher war das aber nie nötig. Die Verfehlungen passieren ja nicht vorsätzlich, sondern aus Unwissenheit. Wichtig ist also vor allem eine gute Kommunikation!“
Unterstützung bekommen die Gleitschirmflieger des DGFCAK und des GSC Hochries vom Nationalpark Berchtesgaden, dem DHV, der Süddeutschen Gleitschirmschule sowie den Bayrischen Forstbetrieben. Durch die enge Zusammenarbeit und eine professionelle Anleitung von einem Team des Nationalparks beginnen die Mitglieder der Gleitschirmvereine das Monitoring sukzessive selbst in die Hand zu nehmen.

Wer nun Interesse bekommen hat, sich beim Schutz der Steinadler im Chiemgau zu beteiligen, kann das tun. Natur- und Vogelbegeisterte, die selbst gern am Berg unterwegs sind, und mit dem Fernglas die Entwicklung des Pärchens samt seines Nachwuchses verfolgen wollen, können sich per E-Mail an adlerfreunde@kampenwand-flieger.de melden. Die Gleitschirmfliegerinnen und -flieger freuen sich über tatkräftige Unterstützung.  nu

 

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