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„Er ist keine Schildkröte. Aber trotzdem ganz nett.“
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„Er ist keine Schildkröte. Aber trotzdem ganz nett.“

Wie alles begann und was ihn antreibt– der Künstler Sascha Grammel im Interview

Er ist Bauchredner, Puppenspieler, Comedian. Wenn Sascha Grammel auf der Bühne alle Rollen gleichzeitig ausfüllt, passieren kleine Wunder: Puppen beginnen zu leben, normalerweise auf Coolness bedachte Teenager lachen zwei Stunden nonstop, und so manche Erwachsenen gehen nach dem Auftritt mit dem Gefühl nach Hause, gerade einen neuen Freund gefunden zu haben, so nahbar und zugewandt wirkt der Künstler. Am 18. und 19. Oktober spielt Sascha Grammel mit Josie, Frederic Freiherr von Furchensumpf und den anderen im Kuko in Rosenheim sein Programm „FAST FERTIG!“ Die Echo-Redaktion hat mit ihm gesprochen.

Als Kind dachte ich, mit dem Bauch zu reden sei so ein Talent wie mit den Ohren wackeln oder Zunge einrollen: manche haben einfach einen Bauch, der das kann, andere eben nicht. Heute kann man ja einfach googeln, wie Bauchreden wirklich geht. Wissen Sie noch, wann und wie Sie herausgefunden haben, was Bauchreden eigentlich ist?
Zum Bauchreden kam ich wie der Joghurt zum Löffel. Also unspektakulär. Die Initialzündung war ein Buch vom kanadischen Bauchredner Dan Richard, was mir irgendwann beim Kaufen von ein paar Jonglierbällen, quasi in die Hände gefallen ist. Danach war schnell klar: das will ich auch können. Und am besten Morgen. Dass das Erlernen der Bauchredetechnik doch ganz schön viele „Morgen“ braucht, wurde mir allerdings schon am ersten Morgen schmerzlich klar. Tja, und dann habe ich mir die Technik wie jeder andere auch recht mühsam antrainiert. Und geübt, geübt und geübt. Denn wie bei allen Dingen im Leben gilt auch beim Bauchreden, dass ein bisschen Talent zwar förderlich ist, aber ohne ganz viel Fleiß einem auch sein Talent herzlich wenig hilft. Und bis die wunderbare Illusion, dass diese lustigen Fantasie-Figuren neben Dir auf der Bühne sprechen können, kommunizieren, fühlen, ja leben, ist eben auch ganz besonders beim Bauchreden „Üben“ das gar nicht so geheime Zauberwort für den Erfolg.

Als ich mir Auftrittsvideos angeschaut habe, war ich hingerissen, wie lebendig die Puppen sind. Sind, nicht wirken! Ich fand es ganz leicht, mich auf die Illusion einzulassen, dass Sie beide sich einfach unterhalten. Leben Ihre Puppen für Sie ?
Vielen Dank für das Kompliment. Das ist in der Tat mein größtes Ziel. Ich möchte kleine Charaktere erschaffen, die ihre ganz eine eigene Sicht der Dinge haben, mit wundervollen Seiten und liebevollen Macken. Eben kleine Lebewesen. Und genauso gehe ich auch mit ihnen um. Es sind für mich keine Puppen, sondern „Freunde“. Das perfekt umzusetzen bedeutet wie gesagt viel Übung, eine wahre Liebe zum Puppenspiel und Respekt vor der gesamten Bauchredner-Thematik.
Zu welcher Figur haben Sie sozusagen die beste Beziehung? Und zu welcher die schwierigste
Ich mag jede meiner Puppencharaktere, jede verkörpert auch ein bisschen von meiner eigenen Persönlichkeit. Jetzt darf jeder mal raten, was Professor Hacke und ich gemeinsam haben. Hahaha.

Wenn man Josie fragen würde, wie ist Sascha Grammel denn so, was würde sie sagen?
Wahrscheinlich „Er ist keine Schildkröte. Aber trotzdem ganz nett. Und er braucht dringend einen Friseur.“

Und wenn man Frederic Freiherr von Furchensumpf fragen würde?
„Frag‘ besser die Schildkröte!“

Die Dialoge wirken sehr spontan. Gibt es tatsächlich einen spontanen Anteil, weil Ihnen auf der Bühne plötzlich etwas Neues einfällt, oder ist es gerade andersherum und die spontane Wirkung das Ergebnis von sehr viel Arbeit, Übung und Feilen an den Dialogen?
Ganz simpel: es ist beides. Zunächst arbeiten meine Autoren und ich gemeinsam die Texte der einzelnen Nummern aus. Das dauert tatsächlich Monate, manchmal Jahre. Und wirklich fertig sind wir eigentlich auch nie (auch darum heißt das aktuelle Programm ja „FAST FERTIG!“) Denn „die bessere Idee ist der Tod der guten“, was heißt, dass auch wenn etwas sich schon klasse anfühlt und zum Beispiel auch bei den zahlreichen Testshows sehr gut ankommt, kann es immer noch eine Formulierung geben, eine Satzumstellung, ein anderes Puppenspiel, das noch mehr oder noch direkter Reaktionen beim Publikum auslösen. Das klingt so sachlich; gemeint ist: Ziel ist, dass die Menschen, die in meine Shows kommen, eine rundum schöne Zeit haben und unbeschwert lachen können. Wenn sie also über etwas laut und herzlich lachen und sie sichtbar ihren Spaß daran haben, dann bleibt dieser Gag, diese Pointe im Programm, wenn nicht, werden wir über Alternativen nachdenken – bis möglichst alle lachen können.

Die Anfänge als Künstler sind oft hart: wenig Publikum, schwierige Auftritte, niedrige Gagen. War da bei Ihnen auch so und wenn ja, was hat Sie durchhalten lassen?
Meine ersten Auftritte hatte ich auf Kindergeburtstagen und vor Verwandten – die konnten nicht weglaufen. Und wenn sie gebuht hätten, wären sie nicht zu meinem Geburtstag eingeladen worden. Nein. Natürlich war auch bei mir aller Anfang schwer. Ich habe auch meine Auftritte bei Autohaus-Eröffnungen und Jubiläen gespielt – und niemand hat überhaupt richtig hergeschaut, sondern sich lieber das Model XYZ von der und der Autofirma angeschaut. Ich erinnere mich auch an einen Auftritt, den ich für einen Radiosender an einer Bühne beim Berlin-Marathon hatte. Genau in dem Moment, als ich mit meiner Show anfing, kamen die ersten Läufer vorbei und alle meine Zuschauer waren plötzlich weg und wollten lieber die Spitzenläufer an der Strecke anfeuern. Das fühlte sich in dem Moment nicht schön an. Aber man lernt dabei auch etwas. Nämlich Dankbarkeit, wenn dann irgendwann mehr Leute kommen. Und zwar wegen Dir.

Sie treten oft mehrere Tage direkt hintereinander auf und an die „Fast fertig“-Tour schließt sich quasi nahtlos die nächste Tour an, „Wünsch dir was“. Wie regenerieren Sie nach einer langen Tour?
Gar nicht. Oder viel zu wenig.Wir sind aktuell ja grad in der Phase, in der ich das aktuelle Programm spiele, aber gleichzeitig mit dem nächsten Programm schon in der finalen Phase stecke. Denn fast alle Texte sind fertig, das Bühnenbild steht, die Musiken sind in Arbeit und auch der Bau neuer Puppen ist fast abgeschlossen. Für mich bedeutet das immer großen, großen Kopfstress – ich habe in dieser Phase ja immer beide Texte parallel im Kopf, den aktuellen und den vom nächsten Programm. Das ist schon anstrengend. Aber gleichzeitig hat sich diese Arbeitsweise in den letzten vierzehn Jahren bewährt. Und irgendwie schaffe ich es immer. Das wird hoffentlich auch dieses Mal so sein.

Das klingt nach sehr hoher Motivation. Was treibt Sie und Ihr Team an?
Tatsächlich liebe ich, was ich da tue. Und ich weiß, meinen Autoren geht es genauso. Am Ende sind wir selbst Fans dieser herrlich unbeschwerten Puppenwelt. Darum auch der kritische und liebevolle Umgang mit jeder Textzeile, jeder Formulierung, jedem Outfit, jeder Musik, jeder Bühnenbildidee. Denn die Grammel-Welt hat den Anspruch, immer ein bisschen bunter, schöner, leichter zu sein, als die oft ja schlimme Wirklichkeit da draußen. Ich sag’s ganz offen: ich will die Menschen entführen. Für mindestens diese zweieinhalb Stunden raus aus ihrem oft sehr trüben, grauen Alltag. Bei uns haben die Alltagssorgen und -Probleme Einlassverbot und müssen draußen vor der Tür bleiben.
Und: bei mir sollen sich die Erwachsenen amüsieren wie Kinder. Und die Kinder auch wie Kinder. Und ich habe auch einen Riesenspaß dabei – ich lache ja nicht aus Versehen selbst sehr viel auf der Bühne. Das ist kein Theater – ich finde wirklich lustig, was da so alles an Unsinn und Albernheit passiert. Wie man sich jeden Abend überzeugen kann, eine für alle Beteiligten perfekte win-win-Situation. Und wenn wir es dann noch schaffen, dass die Menschen diese Unbeschwertheit, die gute Laune, die Leichtigkeit und diesen ganz bewusst naiv-albernen Blick auf die Welt noch für ein paar Tage mit nach Hause mitnehmen, dann ist schon viel erreicht. Ich gebe mein Bestes. Bauchredner-Ehrenwort!

Copyright Farbfotos: Michael Zargarinejad

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