Unerwarteter Verlauf der Jahreshauptversammlung des Wirtschaftlichen Verbandes
Damit hatte wohl keiner gerechnet: Vergangene Woche trafen sich 191 gut gelaunte Mitglieder des Wirtschaftlichen Verbandes für Stadt und Landkreis Rosenheim e.V. zur Jahreshauptversammlung im Rosenheimer Ballhaus um den Jahresbericht des Vorsitzenden Reinhold Frey, die Grußworte der Oberbürgermeisterin, einen Vortrag der ehemaligen Skirennläuferin Michaela Gerg und den Finanzbericht von Vorstandsmitglied Alfons Maierthaler zu hören und die Genehmigung der neuen Satzung vorzunehmen.
Zunächst verlief die Sitzung sehr harmonisch: Der Jahresbericht war positiv, die Grußworte voll des Lobes, der Vortrag motivierend, der Finanzbericht ausgeglichen. Der Vorstand wurde entlastet – bis dahin lief noch alles wie immer.
Als es jedoch um die Genehmigung der neuen Satzung ging, änderte sich die Stimmung im Ballhaus: Während Vereinsprüfer Dr. Gert Hartlieb die Satzungsänderungen als „maßvolle Aktualisierung“ vorstellte, machte sich Unmut unter einigen Mitgliedern im Saal breit, die ihre Anmerkungen zu der neuen Satzung deutlich machen wollten. Während die einen auf Regularien verwiesen, forderten die anderen Anhörungsrecht.
Schausteller Christian Fahrenschon forderte „mehr Transparenz“ vom Vorstand. Dann traten die beiden großen Rosenheimer Brauereien gemeinsam auf die Bühne, vertreten durch Auerbräu-Geschäftsführer Ferdinand Steinacher und Andreas Steegmüller-Pyhrr von der Flötzinger Brauerei. Sie wiesen darauf hin, dass sie als Brauereien gemeinsam mit den Schaustellern jedes Jahr viel Geld zu dem Millionenetat des WV beitragen und forderten deshalb mehr Mitspracherecht. „Wir fühlen uns nicht genug integriert,“ erklärte Pyhrr für beide, „Wir haben hier nix zu sagen, aber für uns geht es hier ums Ganze, um unsere Unternehmen und Arbeitsplätze.“ Weiter führte er aus: „Dies ist kein Affront. Ein Kontroll- und Aufsichtsgremium würde den WV zukunftssicherer machen. Wir brauchen ein Mitspracheorgan.“ Und weiter bestätigte er „Wir haben Vertrauen zum Vorstand und es gibt keine Alternative zum WV.“
Nach diesem Statement gab ein Wort das andere: „Sie sollen hier nicht überrumpelt werden.“; „Die Mitglieder sind diejenigen, die hier beschließen.“, „Ihr wollt anscheinend größere Veränderungen.“; Zieht die Abstimmung zurück, damit wir weiter geschlossen agieren.“; „Ich hatte keine Ahnung, dass wir hier so eine Diskussion hervorrufen würden.“
Trotz der Diskussionen wurde die Abstimmung über die neue Formulierung der Satzung durchgeführt. Sie erreichte nicht die erforderliche Zwei-DrittelMehrheit, wurde also abgelehnt.
Daraufhin kündigte Reinhold Frey an, den Weg für Neuwahlen freizumachen und zum Ende der Veranstaltung von seinem Amt zurückzutreten.
Auch diese Ankündigung löste wieder eine Reihe von Zwischenmeldungen aus: Hermann Tomczyk erklärte ebenfalls seine Rücktritt vom Amt als Zweiter Vorsitzender des WV. „Wenn wir so mit dem Ehrenamt umgehen, dann fürchte ich, dass sich bald niemand mehr dafür finden wird,“ so lautete sein Fazit.
MdL Klaus Stöttner bat die Vorsitzenden, ihre Entscheidung noch einmal zu überschlafen und keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Die Mitglieder erhoben sich daraufhin von ihren Plätzen und applaudierten stehend für ihren Vorsitzenden Frey. Auch WV-Ehrenmitglied Alfons Döser meldete sich zu Wort. „Was da geschieht ist nicht in Worte zu fassen. Das Eigeninteresse von den Brauereien und Fahrenschon darf nicht im Vordergrund beim WV stehen.“
Mit regungsloser Miene verkündete Reinhold Frey jedoch: „Die Unterstützung hätte ich mir vorher schon gewünscht. Ich bleibe bei meinem Rücktritt. Der WV war meine Herzensangelegenheit, in die ich viel Zeit investiert habe. Jetzt werde ich wieder mehr Zeit mit meiner Frau Christine verbringen können. Den beiden Brauereien wünsche ich viel Erfolg an ihrem Platz, denn dann wird es dem WV hoffentlich auch gut gehen.“
Damit war der offizielle Teil der Jahreshauptversammlung beendet. Tags darauf zeigte auch der zweite stellvertretende Vorsitzende Paul Adlmaier dem Vorstand seinen Rücktritt mit sofortiger Wirkung an.
Vom Wirtschaftlichen Verband kam inzwischen eine Stellungnahme über den weiteren Verfahrensweg: Die verbleibenden Vorstandsmitglieder zeigten einen deutlichen Vertrauensbeweis für ihre Vorsitzenden, kamen der Bitte von Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer und Landrat Wolfgang Berthaler nach und beauftragten die Vorsitzenden Frey, Tomczyk und Adlmaier mit der kommissarischen Wahrnehmung der Ämter bis zur nächsten außerordentlichen Mitgliederversammlung.
Der Wirtschaftliche Verband wird in Kürze einen Termin zur außerordentlichen Mitgliederversammlung bekannt geben. In dieser Versammlung wird die gesamte Vorstandschaft geschlossen ihre Ämter zur Verfügung stellen.
Petra Maier