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Popcorn-Gewitter und Superzellen
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Popcorn-Gewitter und Superzellen

Über 8000 Mitglieder unterstützen die Rosenheimer Hagelabwehr

Begonnen hat alles zu Beginn der 1930er-Jahre mit Raketen, die in die Wolken geschossen wurden. Für die Rosenheimer Pioniere der Hagelabwehr mittels der Wolkenimpfung durch Silberjodid war es ein großes Abenteuer. Heute stehen der Rosenheimer Hagelabwehr zwei Flugzeuge zur Verfügung, man arbeitet mit der Hochschule Rosenheim eng zusammen, über 8000 Mitglieder unterstützen den Verein zur Hagelforschung und zeigen vor allem, wie groß der Rückhalt für die mutigen Flieger in der Bevölkerung ist.

Jetzt im Sommer ist die Hochzeit für die Einsätze der beiden Flugzeuge des Typs „Partenavia P68 TCT“, die regelmäßig bei Gewittervorhersagen vom Flugplatz in Vogtareuth starten und die Wolken mit Silberjodid „impfen“ und damit die Bildung der Hagelkörner verhindern. Die Zentrale im Rosenheimer Landratsamt unter Leitung von Georg Vogl entscheidet nach der Auswertung der in Echtzeit vom Deutschen Wetterdienst zur Verfügung gestellten Satellitenbilder, ob ein Start notwendig ist. Das war nicht immer so, wie Vogl schildert, der seit 1980 bei der Hagelabwehr tätig ist: „Anfangs war es ein Graus, der einzige Radar war in München-Riem, der alle halbe Stunde ein Bild sandte, Satellitenbilder gab es nicht. Da ging es sehr viel nach Gefühl.“ Durch die neue Technik habe sich die Trefferquote natürlich gebessert, Flüge und die damit verbundenen Einsatzzeiten konnten eingespart werden. Dennoch, so Vogl, ist noch immer das Gefühl entscheidend und nach wie vor oft der Blick aus dem Fenster in den Himmel am hilfreichsten. Bei einem Einsatzgebiet, das etwa 4 800 Quadratkilometer umfasst, ist die Beurteilung aus eigener Ansicht natürlich nicht immer möglich. Von der Entscheidung bis zum Abflug eines der beiden Flugzeuge vergeht etwa eine halbe bis dreiviertel Stunde. Dann heißt es, einen guten Magen und viel Mut zu haben, denn die ehrenamtlichen Piloten der Hagelabwehr steuern direkt die Wolken an, um die Hagelbildung zu verhindern.

Die Klimaerwärmung, so Vogl, ist deutlich zu spüren. „Die Gewitter erreichen sehr große Höhen, haben viel Wasser und sind sehr aggressiv“, ist seine Beobachtung. Mit sogenannten „Superzellen“ mit verheerenden Gewittern und Hagelschlägen als Folge musste man bis vor etwa 30 Jahren etwa alle 20 Jahre rechnen. Mittlerweile kommen sie etwa alle zwei Jahre vor. Auch das ist sicherlich ein Grund für die nach wie vor anhaltende Akzeptanz in der Bevölkerung. 8000 Mitglieder unterstützen den „Verein zur Erforschung der Wirksamkeit der Hagelbekämpfung im Raum Rosenheim e.V.“

Eine erste große Spitze fand die Unterstützung nach dem „Jahrhundert-Hagel“, der den Großraum München 1984 erfasste und Schäden in Milliardenhöhe verursachte. Mittlerweile informiert die Hagelabwehr auf der heuer neu gestalteten Internetseite und über das in Zusammenarbeit mit der Rosenheimer Hochschule gestartete Projekt „RO-BERTA“ kann jeder angemeldete Nutzer Beobachtungen zu Hagelereignissen in seiner Umgebung per Smartphone an den Verein zur Auswertung schicken. „Das sind wichtige Informationen für uns, denn wir können natürlich nicht überall sein und oft örtlich sehr beschränkte Vorkommnisse bekommen wir so mitgeteilt“, erklärt Georg Vogl.
Die Zeit geht nicht spurlos vorbei an der Technik, und so war es heuer an der Zeit, die in die Jahre gekommenen Generatoren zu erneuern. Unter den Tragflächen angebracht, sorgen sie dafür, dass das Silberjodid in die Wolken injiziert werden kann. Die diffizilen Geräte einer kroatischen Firma wurden von den Fachleuten der Hagelabwehr selbst verbessert beziehungsweise sie ließen einen völlig neuen Generator nach den aktuellen Einsatzbedürfnissen entwickeln.

Selbstverständlich waren eine Reihe von Fachleuten involviert, ohne die eine solche Entwicklung nicht möglich gewesen wäre. Die neuen Generatoren wurden unter Federführung der Firma Krichbaumer mit Begleitung der Hochschule Rosenheim gefertigt.
Nicht mehr die jüngsten sind auch die beiden Flugzeuge, von denen das jüngere 1984 angeschafft wurde. Die robusten, zuverlässigen „Arbeitstiere“, die von den sieben Piloten hochgeschätzt werden, können bei guter Wartung zwischen 35 und 45 Jahre fliegen. Im Fall der Hagelabwehr kommt hinzu, dass die Maschinen mit etwa 50 Flugstunden im Jahr vergleichsweise moderat genutzt werden. Ein drittes Flugzeug könnte angeschafft werden, falls die Zusammenarbeit mit den Bezirken Kufstein und Kitzbühel ausgeweitet wird.
Alle Informationen zur Rosenheimer Hagelabwehr gibt es unter www.hagelabwehr-rosenheim.de.
Nusser

 

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