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iPhone-Moment für Autoindustrie?

Bernd Pischetsrieder über Wandel und Zukunft der Mobilität

Prominenter Besuch im Rosenheimer Gründerzentrum: Bernd Pischetsrieder, der frühere Chef der Automobilkonzerne BMW und VW, informierte sich im Stellwerk 18 über das dort ansässige Start-up Antretter & Huber GmbH. Dieses entwickelt, produziert und vertreibt Antennen und Kommunikationselektronik unter anderem für die Automobilbranche. Am Rande seines Besuchs nahm sich Pischetsrieder Zeit für ein Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen und äußerte sich zum Thema Fahrzeugvernetzung, zur Bedeutung von Start-ups für die Autoindustrie und zur Mobilität der Zukunft.

Herr Pischetsrieder, mit welchen Eindrücken fahren Sie nach Hause?
Das Team Antretter und Huber hat mich sehr beeindruckt. Was die beiden bei der Fahrzeugkommunikation auf den Weg gebracht haben, ist großartig. Der entscheidende Punkt ist, die Produkte in die Großserienfertigung zu bringen, darüber haben wir intensiv gesprochen.
Wie beurteilen Sie den Entwicklungsstand beim Thema vernetztes Fahren in Deutschland?
Wir haben das grundsätzliche Problem der unvollständigen Netzabdeckung. Jeder, der wie ich in einem Fast-Funkloch lebt, weiß, wovon ich spreche. Für vernetztes Fahren brauchen wir aber ein lückenloses Hochleistungsnetz. Die Technik ist dabei nicht das Problem. Es geht darum, es umzusetzen. Und das ist in den vergangenen 20 Jahren recht zäh gelaufen. Das muss sich ändern.
Welche Rolle können Start-ups in der gigantischen Autoindustrie spielen?
Großkonzerne sind nicht unbedingt berühmt dafür, dass sie besonders kreativ sind. Viele Innovationen kommen aus kleinen und mittleren Unternehmen oder eben Start-ups. Die Schlüsselaufgabe ist die Vernetzung zwischen dem, der ein Problem hat, und dem, der die Lösung entwickelt hat. Die beiden müssen in Kontakt kommen.
Was ist die größte Herausforderung für ein Start-up?
Der Knackpunkt ist, eine Innovation zu industrialisieren. Das ist ungeheuer schwierig für kleine Unternehmen. Insofern braucht es einen großen Partner mit den notwendigen Ressourcen. Ich denke, dass auch der Staat bei diesem Thema mehr leisten sollte. Entwicklungsaufwendungen sollten zum Beispiel steuerbefreit sein. Und generell müsste mehr Geld in die Forschungsförderung fließen, da sehe ich Nachholbedarf.
Die Autobranche befindet sich gerade in einem großen Wandel, bei dem neue Player wie etwa Tesla eine führende Rolle einnehmen. Die deutschen Hersteller gehören, so zumindest der Eindruck, nicht zu den technologischen Vorreitern. Erleben wir einen iPhone-Moment in der Autoindustrie?
Nein. Eine Parallele zur Entwicklung in der Kommunikationsbranche sehe ich nicht. Da hatten wir eine Mutation: Von einem Gerät, mit dem man telefonieren kann, zu einem Gerät, das vieles kann, darunter auch telefonieren. Das wird beim Auto so nicht passieren.

Aber bei Elektrofahrzeugen haben deutsche Hersteller lange gezögert und eher herablassend auf den Tesla-Chef Elon Musk geschaut.
Den Vorwurf kenne ich. Nur muss man wissen: Hätte ein deutscher Autobauer zu dem Zeitpunkt, an dem Elon Musk angefangen hat seine Elektroautos zu bauen, das Gleiche gemacht, dann wäre der gesamte Vorstand in kurzer Zeit dreimal ausgewechselt worden. Wenn ich viel Geld aus Aktienverkäufen zur freien Verfügung habe und keine strengen Zulassungskriterien erfüllen muss, dann habe ich andere Voraussetzungen. Ein Großserienhersteller hätte weder die finanziellen noch die technischen Risiken eingehen können, die Elon Musk eingegangen ist. Die Diskussion, ob ein Elektroauto sinnvoll ist oder nicht, haben wir in Deutschland schon vor 30 Jahren geführt. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass es mit Blick auf die eingesparten Emissionen zwar sehr attraktiv, aber schlicht nicht finanzierbar wäre.
Inzwischen ist E-Mobilität ein großes Thema und Tesla will eine Gigafactory in Deutschland bauen. Also ausgerechnet im Revier der Platzhirsche.
Musk investiert aus gutem Grund in Deutschland. Er weiß, dass er hierzulande bessere Autos bauen kann als die, die Tesla derzeit ausliefert. Verständlich, wenn man sich die von Kunden berichtete Zuverlässigkeit dieser Fahrzeuge vor Augen führt. Die ähnelt der mancher Sportwagen, die vor 20, 30 Jahren gebaut wurden; Wie eine Streichholzschachtel, die ins Wasser gefallen ist.
Ein eigenes Auto zu besitzen, ist längst nicht mehr jedermanns Traum. Was bedeutet das für das klassische Geschäftsmodell der Autohersteller?
Der Öffentliche Personennahverkehr kann die individuelle Mobilität nicht einfach ersetzen, diese Kapazität hat er nicht. Dafür werden immer mehr Menschen Carsharing-Anbieter nutzen. Das bedeutet aber keinen großen Einbruch für die Autohersteller. Entscheidend ist die Zahl der mit Fahrzeugen zurückgelegten Kilometer, und die wird nicht signifikant weniger werden. Ein Carsharing-Auto ist viel öfter im Einsatz als ein Privatwagen, also muss es auch deutlich früher erneuert werden.
Wie sieht Ihrer Meinung nach die Mobilität der Zukunft aus?
Es wird eine Mischform sein. Kleine E-Mobile in den Städten, die benötigen keine große Reichweite. Dazu Hybridfahrzeuge für den Personenverkehr auf längeren Strecken. Und für den Gütertransport Lastwagen mit Brennstoffzellenantrieb.
Was ist mit den klassischen Autoliebhabern, die ihr Vehikel hegen und pflegen?
Die wird es auch künftig geben, sicher. Aber in erster Linie geht es um einen Mobilitätsbedarf. Wer zum Beispiel etwas transportieren möchte, der braucht keinen polierten Schlitten. Der möchte nur von A nach B kommen, und das kann er auch mit einem Auto, das ihm nicht selbst gehört.
Oder er nimmt womöglich ein E-Bike.
Das geht vielleicht, wenn nichts Großes transportiert werden muss. Aber Fahrrad fährt man doch eher, weil es Spaß macht und man sich an der frischen Luft bewegen möchte.

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