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„Die Zustände sind untragbar!“

Zahl der unbegleiteten Minderjährigen hat dramatisch zugenommen

Im Landkreis Rosenheim kommen immer mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge an. Die dramatische Zunahme zwingt den Landkreis, die Unterbringungsmöglichkeiten deutlich auszubauen. Landrat Josef Neiderhell und der Leiter des Kreisjugendamtes, Johannes Fischer, kritisierten beim Jugendhilfeausschuss mit deutlichen Worten die mangelnde Unterstützung durch den Freistaat und die oberbayerischen Landkreise. Die Zustände seien untragbar, sagte Landrat Neiderhell vergangene Woche.

Nach seinen Angaben fehlen im Landkreis sowohl die Einrichtungen als auch das Personal. Der Landrat äußerte die Erwartung, dass sich die Situation in absehbarer Zeit für den Landkreis verbessert. Auch Jugendamtsleiter Fischer hofft, dass die aktuell neun zur Verfügung stehenden Plätze in den kommenden zwei Monaten auf 28 erhöht werden können. Wobei selbst diese Zahl laut Fischer bei Weitem nicht ausreichen wird.
Allein im Januar mussten 32 unbegleitete Minderjährige in Obhut genommen werden. In diesem Jahr droht, sollten die Januarzahlen der Maßstab bleiben, im Vergleich zu 2013 eine Versechsfachung auf fast 400 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Landkreis Rosenheim. Die Februarzahlen bestätigen den Trend vom Januar.

Die aktuelle für den Landkreis Rosenheim dramatische Situation hat zwei Ursachen. Tatsächlich gibt es einen Anstieg der aufgegriffenen unbegleiteten Minderjährigen unter 16 Jahren. Wesentlich gravierender wirkt sich aber eine Entscheidung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration aus. Um die Überbelegung der Erstaufnahmeeinrich-tung für 16- und 17-jährige in München zu lindern, teilte das Ministerium Mitte November intern mit, dass die örtlichen Träger der Jugendhilfe ab 1. Januar auch 16- und 17-Jährige unbegleitete Flüchtlinge in Obhut nehmen müssen. Von den 32 im Januar im Landkreis neu angekommenen Minderjährigen waren immerhin 17 im Alter von 16 und 17 Jahren. In den benachbarten Landkreisen gab es im Vergleich nur einen Bruchteil der Aufgriffe.

Der Landkreis Rosenheim ist aufgrund seiner Lage so stark betroffen: Sowohl rund um das Inntaldreieck wie auch auf den großen Bahnverbindungen von Innsbruck bzw. von Salzburg nach München werden viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgegriffen. Nachdem der Ort des Aufgriffs auch die Zuständigkeit im Bereich der Jugendhilfe bestimmt, ist in naher Zukunft keine Verbesserung der Situation in Aussicht.

Ministerium hält Zusagen nicht ein

Das Ministerium verband seine Ankündigung im vergangenen Jahr mit der Zusage, im ersten Quartal 2014 an vier Standorten in Bayern Inobhutnahmeeinrichtungen mit insgesamt 150 Plätzen zu schaffen. Laut Fischer waren allein für Januar 84 Plätze angekündigt. Von den jugendlichen Flüchtlingen, die im Landkreis aufgegriffen wurden, konnte bis Ende Januar kein Einziger auf einem solchen Platz untergebracht werden.

Im Kreisjugendamt Rosenheim hofft man, dass die Verteilung der Zuständigkeiten auf mehrere Schultern und die Bereitstellung von zusätzlichen Inobhutnahmeplätzen in den nächsten Wochen gelingt. Ansonsten würden für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kreisjugendamtes und der sehr engagierten Freien Träger wie Startklar – Jugendhilfe, Diakonie – Jugendhilfe Oberbayern und dem Caritas Kinderdorf Irschenberg, die Grenzen des Zumutbaren deutlich überschritten, so Amtsleiter Fischer abschließend.

Sabine Hermann, Leiterin des Clearinghauses in Rosenheim, berichtete über die Situation der unbegleiteten Flüchtlinge vor Ort. Sie bekommen vom ersten Tag an Deutschunterricht. Laut Hermann sind sie zu 95 Prozent hochmotiviert, um sich in Deutschland zu integrieren.

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