Vieldiskutiertes Thema Sonntagsöffnungszeiten
Am Sonntag, 30. Oktober, ist es wieder soweit: Der traditionsreiche „Mantelsonntag“ lockt die Menschen in die Rosenheimer Geschäfte. Die einen suchen Schönes für den Winter, die anderen nutzen den zusätzlichen Verkaufstag und schauen nach den ersten Weihnachtsgeschenken. Derzeit sind es vier sogenannte verkaufsoffene Sonntags, die Rosenheim über das Jahr verteilt bietet, nicht alle entspringen einer langen Tradition wie der Sonntag im Oktober.
Ein Thema, das auch Fragen aufwirft, und das in Rosenheim wie anderswo immer wieder diskutiert wird. Bereits im Sommer stand dieses Thema zur Debatte im Stadtrat. Dieser musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob einer der vier maximal erlaubten verkaufsoffenen Sonntage, nämlich der von den Kunden nicht so gut angenommene zur Herbstfestzeit, verlegt werden solle. Und zwar auf einen Termin kurz vor dem Advent, den evangelischen Feiertag Totensonntag. Die Regierung von Oberbayern hat als zuständige Rechtsaufsicht diesen Vorschlag abgelehnt.
In einer Diskussionsveranstaltung im Bildungszentrum Rosenheim standen sich nun kürzlich auf Einladung der, von kirchlichen und gewerkschaftlichen Verbänden getragenen, „Allianz für den freien Sonntag“ Befürworter und Gegner verkaufsoffener Sonntage gegenüber.
Die rechtlichen Grundlagen erläuterte zu Beginn Rechtsanwalt Dr. Friedrich Kühn aus Leipzig. Er betonte zunächst, dass die Sonntagsruhe als hohes Gut mit weltlicher und religiöser Bedeutung sowohl vom Grundgesetz als auch von der Bayerischen Verfassung besonders geschützt sei. Deshalb brauche es für Ausnahmen von diesem Ruhegebot auch triftige Gründe. Unstrittig sei die Beschäftigung im Gesundheit- und Sicherheitsbereich sowie in der Gastronomie. Doch für die Öffnung von Geschäften am Sonntag, die laut Bayerischen Ladenschlussgesetz maximal vier Mal im Jahr in einer Stadt erlaubt sind, müssen ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.
Das können zum Beispiel Märkte, Messen oder Feste sein, die für diesen Tag prägend sind, erfahrungsgemäß mehr Besucher anziehen als die geöffneten Geschäfte und zu diesen auch einen räumlichen Bezug haben. „Der Wunsch der Kunden nach Einkaufsmöglichkeiten oder auch das Streben von Geschäftsleuten nach Gewinnmaximierung stellt aber keine Begründung für die Sonntagsöffnung dar“, betonte Friedrich Kühn.
Wolfgang Janhsen, Geschäftsführer der Geschäftsstelle Südostoberbayern der IHK, appellierte daran, die Verhältnismäßigkeit der Diskussion nicht aus den Augen zu verlieren: „Es geht nur um vier Sonntag mit jeweils vier oder fünf Stunden Öffnungszeit“. Im Übrigen habe man bei der Sonntagsöffnung vor allem den Service für den Kunden im Auge, der es genießen würde, in aller Ruhe mit der ganzen Familie einen Einkaufsbummel zu machen. Seiner Erfahrung nach gebe es auch viele Arbeitnehmer, die gerne sonntags arbeiten und die damit verbundenen Lohnzuschläge erhalten würden. Im Wettbewerb mit dem Online-Handel, bei dem die Kunden täglich rund um die Uhr einkaufen, könne man sich nur durch Service und erlebnisorientiertes Shopping behaupten.
„Feierliche Stimmung“
Dies bestätigte auch Maria Reiter, Vorsitzende des Einzelhandelsverbandes Rosenheim. Sie erinnerte daran, dass Rosenheim seine Attraktivität als Einkaufsstadt nur mit bester Beratung und optimalem Service sowie mit außergewöhnlichen Maßnahmen, wie etwa dem beliebten Nightshopping oder verkaufsoffenen Sonntagen, behaupten könne. „Bei uns wird auch kein Mitarbeiter zur Sonntagsarbeit gezwungen“, stellt Maria Reiter als Geschäftsführerin zwei Trachtenmodenläden in Rosenheim klar. Ganz im Gegenteil: An den verkaufsoffenen Sonntagen herrsche im Geschäft eine fast „feierliche Stimmung“ bei Kunden und Angestellten, es bleibe mehr Zeit für ein Gespräch miteinander.
„Einkaufsstadt stärken“
Rosenheim als Einkaufsstadt zu stärken, das sieht auch Robert Metzger, Fraktionsvorsitzender der SPD im Stadtrat und Gewerkschaftssekretär, als unstrittiges Ziel aller Verantwortlichen. Zwei der vier verkaufsoffenen Sonntage, der Mantelsonntag im Oktober und der vor Ostern verbunden mit dem Frühlingsmarkt, seien traditionell eingeführt und sollten unbedingt erhalten bleiben. Auf die beiden anderen, nämlich im Rahmen von „Rosenheim in Bewegung“ und während des Herbstfestes könne man unter Umständen auch gut verzichten. Außerdem erinnerte er daran, dass zahlreiche Städte in der Region ebenfalls zu unterschiedlichen Terminen verkaufsoffene Sonntage anbieten würden. Das mache den flächendeckenden Sonntagsschutz nicht nur löchriger, es führe auch zu einer Art „Reizüberflutung“.
Gegen die Geschäftsöffnung an Sonntagen sprach sich klar Georg Wäsler, stellvertretender Bezirksgschäftsführer von Verdi, aus. Seine Vermutung ist, dass viele Anlässe richtiggehend „herbeigezaubert“ seien, um die Öffnung zu begründen. „Die Rosenheimer Situation, so wie sie sich jetzt entwickelt hat, sehe ich aus rechtlicher Sicht problematisch“, so Wäsler. Außerdem wies er darauf hin, dass nach neuer Rechtslage auch Gewerkschaften und nicht mehr nur wie bisher einzelne Arbeitnehmer, dagegen Klagerecht hätten. Den Argumenten der Pro-Seite, man müsse dem Online-Handel so Paroli bieten, hielt Wäsler entgegen: „Wenn wir das nicht an sechs Tagen in der Woche schaffen, dann retten uns vier Sonntage auch nicht mehr!“
Im Publikum wurde nach den Statements leidenschaftlich weiter diskutiert. Dabei erinnerten einige Teilnehmer auch nochmals an den religiösen Aspekt: Der Sonntag sei ein heiliger Tag; die Einhaltung des Feiertages sei sogar in den Zehn Geboten fest- geschrieben. ff