Minna von Barnhelm in der Theaterinsel Rosenheim
Lessings wunderbare deutsche Sprache wieder in unserer sprachverarmten Zeit zum Ausdruck zu bringen und auch die Werte von damals zu aufzuzeigen, war dem Regisseur Toni Müller ein großes Anliegen. In der Theaterinsel Rosenheim inszenierte er nun das Lustspiel des Dichters „Minna von Barnhelm“, das 1767 in Hamburg uraufgeführt worden war. Aus eigener Anschauung hatte Lessing als Gouvernement-Sekretär in Breslau während des Siebenjährigen Kriegs Schicksale der verschiedensten Stände beobachten können. Lebensnah und psychologisch genau beobachtet, schrieb er die erfundene Liebesgeschichte vor dem real gezeichneten geschichtlichen Hintergrund.
Attraktiv ist die Kulisse gestaltet, rote geraffte Vorhänge umrahmen die Bühne, mehrere Türen im Hintergrund erlauben Zu- und Abgänge der Personen, eine Chaiselonge bietet diesen immer wieder Platz. Major von Tellheim, von den Lebensumständen ungerecht behandelt, seiner Würde und seines Vermögens beraubt, glaubt auf seine Verlobte, die er aufrichtig liebt, verzichten zu müssen, da ihm sein Ehrgefühl nicht erlaubt, sie unter diesen Umständen an sich zu binden. Wie Minna aber seinem männlichen Stolz begegnet, wie sie um ihre Liebe kämpft und mit Klugheit und Geschick ihn mit den Waffen seiner eigenen Argumentierungen schlägt, ist beispielgebend. Lessing betont bewusst, dass für eine funktionierende Gesellschaft die Gleichberechtigung der Geschlechter eine unumgängliche Grundbedingung ist. Trefflich sind die Rollen der verschiedenen Figuren besetzt.
Hervorragend gelingt Andreas Reichert in seinem sensiblen Spiel den Major von Tellheim in seiner Zerrissenheit zwischen unbedingtem Ehrbegriff und seiner Liebe zu Minna, seinem Stolz und seiner Verzweiflung aufzuzeigen. Sophia Pölcher beeindruckt als Minna von Barnhelm in all den Facetten dieser Liebenden, ist sanft, ist zornig, weich und energisch. Voll Charme, Keckheit, temperamentvoll und schlagfertig bezaubert Mariam von Brodschelm als Kammerjungfer Franziska. Kein Wunder, dass der treue Wachtmeister des Majors, Paul Werner (Alexander Rathmacher) sich in sie verliebt. Des Weiteren überzeugen Günther Hendrich als listiger, raffgieriger Wirt, Jakob Herz als redlicher Bedienter Just, Robert Reichert mit Witz und Galanterie als Falschspieler Riccaut und Nadja Jarmer als Witwe. Joshua Dreischhoff gibt einen weiteren Bedienten und in einem kurzen Part am Ende Robert Lappy den Oheim, Graf von Bruchsal. Regisseur Toni Müller und seine fabelhaften Schauspieler ließen diesen Theaterabend zu einem beglückenden Erlebnis werden.
Die weiteren Aufführungen sind am 21., 22., 27., 28. und 29. November, Freitag und Samstag jeweils um 20 Uhr, Sonntag um 17 Uhr. Margrit Jacobi